Immer wieder liest man in Foren oder Facebook-Gruppen Fragestellungen wie diese:

„Ich habe ein altes Radio vom Opa geerbt, das hat noch kein UKW oder DAB+. Kann man mit dem Radio noch was anfangen? Das Radio sieht sehr schön aus, aber ich möchte schon etwas damit hören können.“

Dann kommen oft Antworten wie diese: „Die Mittelwelle wurde in Deutschland abgeschaltet!“ Das gleiche gilt leider auch für Kurz- und Langwelle.

In diesem Moment muss ich immer etwas schmunzeln, denn man kann Naturgesetze nicht abschalten! Elektromagnetische Wellen werden sich immer im Raum ausbreiten, da kann man nichts abschalten oder verbieten.

Was man stattdessen gemacht hat: Man hat große Lang-, Mittel- und Kurzwellensender (LMK-Sender) abgeschaltet und größtenteils zerstört – allen Protesten zum Trotz.

Sprengung des Funkturms Wilsdruff
Sprengung des Funkturms Wilsdruff (Foto: Jürgen Lösel)

Das Hobby Fernempfang (DXing)

Kann man also keine LMK-Sender mehr in Deutschland empfangen? Natürlich ist es schwieriger geworden ohne die großen deutschen Sendeanlagen. Andererseits können noch genügend Sender aus dem Ausland empfangen werden. Auf Kurzwelle geht das je nach Frequenzbereich rund um die Uhr. Auf Mittelwelle muss man warten, bis sich die Raumwelle ausbilden kann. Tagsüber werden die Wellen vom Sender nämlich in tiefer liegenden Schichten absorbiert. Man kann also von Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang Mittelwellensender aus anderen Ländern empfangen. Das Empfangen weit entfernter Sender nennt sich DXing. Die Abkürzung DX (von „distance“) kommt aus dem Amateurfunk und steht für eine Funkverbindung über eine große Entfernung. Dies ist ein Hobby mit vielen Anhängern und macht wirklich Spaß.

Zum einen ist es spannend einen neuen Sender zu empfangen, denn die Identifikation ist nicht immer ganz leicht. Oft schwankt die Empfangsstärke und zum großen Ärger sind die Störungen in dem Moment am lautesten, wenn die Senderkennung durchgegeben wird. Das Schwanken ist normal und wird als Fading bezeichnet. Es wird durch Veränderungen in der Ionosphäre hervorgerufen, die den Raumwellenempfang ermöglicht.

Auf der anderen Seite ist es spannend eine QSL-Karte aus fernen Ländern in den Händen zu halten. Diese Empfangsbestätigungen bekommt man oft, wenn man den Sendern einen ausführlichen Empfangsbericht zu kommen lässt. Mit Hilfe des Internets ist es kein Problem Videos, Soundfiles und Daten zum Empfangsort und Zeitpunkt an den Radiosender zu übermitteln.

Die neuen kleinen Sender

Doch zurück zu den Sendern mit Standort in Deutschland. Gibt es wirklich keine LMK-Sender mehr?

Wie schon anfangs erwähnt, gibt es keine großen Sender mehr. Jedoch gibt es einige Kleinsender, die mit Sondergenehmigung auf Kurz- und Mittelwelle mit kleiner Leistung senden. Diese Sender werden zum Beispiel von Museen oder zu Schulungszwecken betrieben und mit viel Leidenschaft von engagierten Technikern bzw. Funkamateuren gebaut und in Betrieb genommen. Leider ist es oft so, dass diese Enthusiasten nicht so gut im Marketing sind. Oft gibt es nicht einmal eine eigene Webseite für den entsprechenden Sender.

Hier kommt die Seite https://am-radio-stations.de/ ins Spiel! Auf dieser Seite werden alle Informationen zu diesen Kleinsendern aus Deutschland gesammelt und mit viel Hintergrundinformationen versehen. Da die kleinen Sender aus Deutschland auch oft im Ausland empfangen werden, ist diese Webseite der erste Anlaufpunkt, um einen QSL-Kontakt zum empfangenen Sender zu finden. Aus diesem Grund bietet die Webseite alle Artikel zusätzlich in Englisch an. Die steigenden Besucherzahlen bestätigen, dass das Thema der Webseite durchaus von Interesse ist.

Wofür steht die Abkürzung „AM“ in am-radio-stations.de?

AM steht für Amplitudenmodulation, was kompliziert klingt ist es eigentlich nicht!
Bei der schnurlosen Übertragung von Sprache und Musik wird im LMK-Bereich seit jeher auf diese Modulationsart gesetzt, weil sie sende- u.v.a. empfangsseitig technisch sehr leicht realisierbar ist.
AM ist die einzige Modulationsart, die ohne große Vorkenntnisse schon von Schülern verstanden werden kann. Nur AM ermöglicht mit primitiven Empfangsgeräten einen leichten Einstieg für funktechnisch Interessierte z.B. mittels Detektorradio.

Ist der Sender nah bzw. stark genug reicht die folgende Schaltung aus, um AM-Rundfunk zu empfangen (natürlich nicht in HiFi-Qualität):

Die einfachste Schaltung um AM-Rundfunk zu empfangen: der Detektorempfänger.

Der hier dargestellte, aller einfachste Detektorempfänger besteht nur aus einer langen Antenne, einem Erdanschluß, einer Germanium-Diode und einem Kopfhörer. Die Stromversorgung erfolgt durch die Antenne selbst. Sie muss daher lang und möglichst hoch sein. Meist reicht ein ausgespannter Draht von ca. 10 Metern. Für den Erdanschluss eignet sich z.B. der Fundamenterder eines Hauses. Im Freien ein Erdspieß oder viel besser, falls möglich: Ein blankes Kabel in ein Gewässer legen.

Um in einem Sender ein AM-Signal zu erzeugen, wird lediglich die ausgestrahlte Hochfrequenzamplitude im Rhythmus der Musik bzw. der Sprache variiert. Deshalb genügt es auf der Empfangsseite dieses Signal gleichzurichten um Sprache bzw. Musik wieder zu gewinnen.

Amplitudenmodulation 

Der Mittelwellensender JOE

Nach dem kurzen oberflächlichen Ausflug in die Technik geht es wieder zurück zu den neuen kleinen Sendern. Ein Beispiel für das Interesse an Kleinsendern ist der Mittelwellensender JOE. Der Sender steht in Erlangen und sendet tagsüber mit 6 und nachts mit 100 Watt. Am Tag wird das Programm des DAB-Senders Funklust gesendet. In der Nacht wird ein pulsierender 1 kHz Ton ausgestrahlt.
Die Empfangsberichte für den Sender kommen aus ganz Europa wie die nachfolgenden Informationen zeigen.

Alle technischen Details, viele Bilder sowie die Geschichte des Mittelwellensenders JOE sind unter: https://am-radio-stations.de/mittelwellen-sender-joe/ zu finden.

Ein Blick ins Ausland

Auch im europäischen Ausland gibt es eine Wiederbelebung des AM-Rundfunks mit kleinen Sendern. Als Beispiel möchte ich hier die Niederlande nennen. Über das Kontaktformular von am-radio-stations.de erreichte uns diese Nachricht:

Zumindest in Holland gibt’s noch etwas auf Mittelwelle zu genießen. Eine riesige Auswahl, einzigartig in Europa. Zwar sind alle Sender niedrig was Sendeleistung angeht, aber es sind jetzt mehr als einhundert aktiv mit unterschiedlichen Programmen. Es sind alle Privatinitiative. Eine große Anzahl sind ehemalige sogenannte Piratensender, welche hauptsächlich im Osten unseres Landes tätig waren. Es ist der Grund, weshalb diese Initiative überhaupt Gestaltung gefunden hat und ein Beweis, dass analog gar nicht tot sein muss.

Auf der Webseite https://www.radio-tv-nederland.nl/am/am.html können diese Sender eingesehen werden.

In den Niederlanden werden kleine AM-Sender immer populärer!

Die Fragestellung, ob die Mittelwelle tot ist, kann also wie folgt beantwortet werden:
Die großen deutschen Sender sind gesprengt und es werden wohl leider noch einige Sender im Ausland verschwinden. Jedoch ist dies eine Chance für kleine Sender. Mit diesen kann zum Beispiel in Museen gezeigt werden, wie Rundfunk eigentlich funktioniert. Denn die Funktionsweise des AM-Rundfunk kann man technisch Interessierten in kurzer Zeit erklären, mit modernen Medien wie zum Beispiel DAB+ oder Internetradio wäre dies nicht so einfach möglich.

Über den Autor

Jan (DO8DX) beschäftigt sich seit einigen Jahren gern mit alten Radios, Kurzwellenempfang und Amateurfunk und findet so ein ideales Gegengewicht zum Software-Entwickler-Job. Er bloggt gelegentlich unter https://www.dampfradio.blog/.

Dank bzw. Quellenangaben:

Von Jan Welker

Jan (DO8DX) beschäftigt sich seit einigen Jahren gern mit alten Radios, Kurzwellenempfang und Amateurfunk und findet so ein ideales Gegengewicht zum Software-Entwickler-Job.