Wenn in den späten Abendstunden das Firmament über Brandenburg wieder in seine stille Dunkelheit taucht und die ersten Sterne aufleuchten, beginnt für mich stets ein gedanklicher Rückblick. Anlass dafür ist meine neue Allsky-Kamera, die in diesem abgelegenen, kaum vom Stadtlicht berührten Gebiet nun wieder ihren Dienst aufgenommen hat. Sie erinnert mich an einen langen Weg, der vor rund dreißig Jahren begann – eine Reise durch Technik, Faszination und unzählige Experimente, die meinen Blick auf den Himmel prägten.
Die ersten Gehversuche mit der Meteor-Kamera
Meine allererste Allsky-Kamera war noch ein kleines technisches Abenteuer für sich. Damals sprach man weniger von „Allsky“, sondern ganz schlicht von einer Meteor-Kamera. Die Technik erschien zwar aus heutiger Sicht archaisch, war aber dennoch höchst reizvoll. Sie bestand aus einer einfachen Analogerfassung, die Bilder in sich summierte und etwa im Dreisekundentakt ein neues Resultat ausgab.
Doch das Herzstück dieser Geräte war nicht die Elektronik allein, sondern die optischen Konstruktionen, mit denen man den gesamten Himmel auf einen Blick erfassen wollte. Die Kamera selbst zeigte kopfüber auf eine spiegelnde Halbkugel, die wie ein künstliches „Auge“ den Kosmos einfing. Schnell entstanden Ideen, wie man den Spiegel durch Alltagsgegenstände ersetzen könnte: Manche griffen zu glänzenden Gartenzierkugeln, andere experimentierten mit den blank polierten Radkappen des VW Käfer. Jedes Stück Metall, das halbwegs taugliche Reflexionen erzeugte, fand seinen Platz im improvisierten Himmelslabor. Daneben existierten natürlich auch professionelle Lösungen – allerdings zu Preisen, die für Hobbyastronomen oft unerreichbar blieben.
Egal ob konvex oder konkav, verspiegelt oder improvisiert – der Menschheitstraum, das Himmelszelt in seiner Gesamtheit sichtbar zu machen, befeuerte meine Neugier unaufhörlich.
Der Computer zieht ein
Bald wurde es möglich, die Bilder nicht nur zu betrachten, sondern auch auf einen Rechner zu übertragen. Zunächst diente mir ein Apple Macintosh Centris 660av, später dann Spezialkarten, die analoge Videosignale ins digitale Zeitalter retteten. Dieser technologische Schritt eröffnete eine völlig neue Welt. Zum ersten Mal konnte man die Aufnahmen festhalten, vergleichen und archivieren.
In dieser Zeit entstand auch eines meiner ersten öffentlichen Projekte: die vielleicht erste Webcam Berlins, meine „Berlin Highway Webcam“, mit der ich gewissermaßen Stadtgeschichte schrieb. Doch trotz der Begeisterung blieb vieles Experimente – faszinierend zwar, aber ohne die große Kontinuität. Irgendwann verschwanden die Kameras wieder in Kartons, sorgfältig verstaut, und ruhten jahrelang ungenutzt wie mechanische Erinnerungen im Schrank.
Ein neuer Aufbruch mit Mobotix
Der nächste größere Schritt tat sich auf, als ich auf die damals hochmodernen Mobotix-Kameras aufmerksam wurde. Welch ein Glück, dass ich das Unternehmen sogar als Sponsor gewinnen konnte – eine Unterstützung, die mir einen vierstelligen D-Mark-Betrag ersparte.
Ich setzte ein System aus zwei mal zwei Kameras zusammen, die jeweils in eine andere Himmelsrichtung blickten. Zusammen ergaben sie ein vollständigeres Bild des Berliner Nachthimmels. Das Aufstellen der Geräte war dabei alles andere als trivial – ein wahres Abenteuer, besonders wenn es darum ging, Kameras auf Dächer zu bringen, Kabel sorgfältig zu verlegen und diese Technik den witterungsbedingten Launen einer Großstadt auszusetzen.
Das Ergebnis waren vier unabhängige Bilder, die gemeinsam wie kleine Fenster zum Universum wirkten. Doch so eindrucksvoll es auch war, optimale Lösungen waren es noch lange nicht. Vieles blieb fragmentarisch, unfertig, stets im Bereich der Möglichkeiten, aber noch nicht am Ziel.
Rückblick und Aufbruch
Heute, drei Jahrzehnte nach diesem ersten Versuch und nach all den schlaflosen Nächten zwischen Bastelwerkstatt und Sternehimmel, ist die Technik weltenweit fortgeschritten. Wo früher Spiegelkugeln und Radkappen improvisierte Lösungen waren, genügen heute kleine elektronische Wunderwerke, die in hoher Auflösung den nächtlichen Himmel aufzeichnen.
Wenn ich nun meine aktuelle Allsky-Kamera in dieser dunklen Himmelsregion wieder in Betrieb sehe, weckt sie nicht nur Bilder des Universums – sie weckt auch meine Erinnerungen. Es ist ein stilles, aber eindrucksvolles Band, das sich von den ersten improvisierten Versuchen mit einer alten Analogerfassung bis hin zu den heutigen digitalen Sternenaugen spannt.
Und während oben die Sterne und manchmal eine leuchtende Feuerkugel über das Firmament huschen, breitet sich unten mein eigenes Gefühl von Staunen und Demut aus. Dreißig Jahre Technik, Spieltrieb, Forschung und Leidenschaft – sie alle haben sich wie die Sterne selbst in der Erinnerung verankert.


